
Berlin Fashion Week: Marcel Ostertag lässt die Siebziger Jahre wieder aufleben
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Haben Sie die Fashion Week in Paris verfolgt, bei der Isabelle Huppert für Balenciaga läuft (oder besser gesagt, langsam schwebt)? Nun, in Berlin ist es ganz anders: Hier gibt es kein Schlendern, wir gehen schnell, im Takt von Techno und 90er Pop (ja, das ist immer noch Berlin).
Anschnallen: Jetzt folgt die Zusammenfassung der Raketen-Show von Marcel Ostertag, der am 2. Juli seine Kollektion Paradise in der Uber Arena in Berlin präsentierte. Sie war ganz in seinem Sinne: tolerant, sexy, generationsübergreifend, alles mit dem Duft der Power Flower der Siebziger.
Die Blumen
Ein meiner Lieblingslooks. Die kurze Hose mit den hohen Socken, die lackierten Schuhe, der kleine Seitenscheitel à la Superman und die Sonnenbrille im Siebziger-Stil. Alle Details sind perfekt in diesem sommerlichen, kraftvollen und sexy Look, der die DNA des Labels gut repräsentiert.
Aber was diese Silhouette wirklich besonders macht, sind die Blumen. Gestickt, bedruckt oder im Vintage-Tapetenstil gestaltet, sie stellen die Regeln der klassischen Männlichkeit auf den Kopf. Bei Marcel Ostertag hat die Blume kein Geschlecht, sie steht für Freiheit, für die akzeptierte Sanftheit und die Fluidität zwischen den Geschlechtern. Und wenn sie zu einem männlichen Outfit getragen wird, das mit Vertrauen präsentiert wird, wird sie zum Symbol für Sinnlichkeit. Eine Art zu sagen, dass man stark und blumig sein kann. Stolz und sensibel. Kurz gesagt, 100 % Paradise.
Schlaghosen und Eleganz
Es kommt nicht in Frage, sich von den Siebzigern inspirieren zu lassen, ohne Schlaghosen! Marcel Ostertag interpretiert diesen Klassiker mit einer Herrenhose aus Spitze, die an den Seiten offen ist.
Was ich an ihm liebe, ist, dass er seine Ideen bis zum Ende verfolgt: Spitze, Schlaghosen, blonde Färbung, Sonnenbrillen… Nichts wird dem Zufall überlassen, er macht die Dinge nicht halbherzig. Und während die Volants in den weiblichen Silhouetten präsenter sind, gibt es in dieser neuen Kollektion eindeutig keine Grenzen mehr zwischen den Geschlechtern. Die männlichen Models laufen stolz in offenen Spitzenhosen über den Laufsteg, ohne auch nur einen Hauch ihrer Männlichkeit zu verlieren — ganz im Gegenteil!
Die Volants
Die Volants sind ein wenig das Steckenpferd von Marcel Ostertag. Sie werden auf Spitzenkleidern eingesetzt und betonen die Weiblichkeit der Modelle noch stärker, kleiden die sommerlichen Kleider dieser neuen Kollektion wunderbar und vor allem… sie fliegen wie Schmetterlinge über den Laufsteg, getragen von den schnellen Schritten der Models.
Diese barock-rockigen Looks sind das Markenzeichen von Marcel Ostertag, dieser kleine Twist, der ihn von anderen Designern abhebt. Persönlich habe ich das Gefühl, dass er etwas von einer modernen Marie-Antoinette hat: einen etwas verrückten kreativen Geist, eine Leidenschaft für das Barock und eine offensichtliche Liebe zur opulenten Ästhetik.
Der heiße Superman-Look
Dieser Look heißt sicher nicht so, aber zwischen dem Outfit, der Brille und dem Haarschnitt kann ich nicht anders, als an Clark Kent (Die Superman-Version der 1990er: Lois & Clark: Die Neuen Abenteuer von Superman) zu denken. Ich liebe diese männlichen Silhouetten in Shorts und hohen Socken, ganz zu schweigen von dem entscheidenden Detail: der Fliege. Aus der Ferne erinnert das Muster an Paisley, aber bei näherer Betrachtung sieht es eher aus wie ein feines Tapisserie mit gestickten Blumen.
Leder, gefährlich und sexy
Nun, wir geben zu, wir fühlen mehr Charles Manson als Flower Power, aber das ist auch das Paradoxon der Siebziger, eine Zeit, in der alles möglich ist und auch das große Durcheinander, nun, ich war ja nicht dabei.
Nach den 70er Jahren kommen… die 90er Jahre (entschuldigung, Millennials, die 80er Jahre lassen wir mal außen vor!). Es ist die Zeit eines roheren, provokanteren Jahrzehnts. Die Neunziger zeigen sich gewalttätiger. Die Welt hat sich verändert, die Technologie hat an Fahrt gewonnen und der Neunziger-Rage, der nach dem Fall der Berliner Mauer aufkommt, ist deutlich spürbar. In Berlin pulsiert der Techno, und die Punk-Ästhetik wird zum Schrei des Volkes.
Die Geschichte ist in der Kunst nie weit entfernt, und bei den Berliner Designern ist die visuelle Ästhetik immer in ihrem persönlichen Werdegang verankert.
Upcycling
Mit 70 % der Stoffe aus Deadstock (nicht verwendete Stoffbestände) ist Marcel Ostertag ein Designer, der für seine umweltbewussten Kollektionen bekannt ist.
Das Upcycling ist ein wenig sein Markenzeichen. Er verwandelt das Alte in etwas Begehrenswertes, Abfälle in Schätze und haucht vergessenen Materialien neues Leben ein.
Das Schlusswort
Kurz gesagt, wir haben die Kollektion „Paradise“ von Marcel Ostertag auf der Berlin Fashion Week 2025 geliebt. Wir haben den einzigen Hitzetag des Landes überstanden, um ihn zu sehen, und wir hatten vollkommen recht!
Wie immer gehen wir erfrischt heraus, mit dem Wunsch, zu feiern (er ist nicht umsonst ein Berliner).
Doch diese Kollektion ist vor allem eine Liebeserklärung an die Frauen, eine Einladung zur Entdeckung von Identität und Geschlecht, alles mit einem nachhaltigen Ansatz.
Mit seinen Anspielungen auf das Barock, die Siebziger und die Popkultur der Raves der 90er Jahre kreiert Marcel Ostertag eine reiche, provokante Kollektion, die eine Ästhetik wiederbelebt, die wir alle lieben — egal ob wir die Siebziger oder Neunziger erlebt haben oder nicht!
Bild oben: Marcel Ostertag, Matt Jelonek